Prof. Dr. mult. Georg Hörmann (Dr. phil. Dr. rer.soc., Dr.med., Dipl.Psych., M.A. (Musikwissenschaft), Arzt / Psychotherapie) ist seit 1990 an der Universität Bamberg Professor am Lehrstuhl für Pädagogik /Gesundheitspädagogik. Er absolvierte mehrere Studiengänge: Lehramt an Gymnasien von 1965-1970 in Freiburg und Münster, Psychologie von 1971-1975 in Münster mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie und Humanmedizin von 1974-1980.

Er war verschiedenen Arbeitsfeldern beruflich tätig: in der Erwachsenenbildung, der Heimerziehung, in ärztlicher Praxis und bei einer medizinischen Tageszeitung. Zudem übte er universitäre Lehrtätigkeiten aus (Diagnose und Beratung in Bielefeld, Medizinische Psychologie in Bochum, Empirische und Statistische Methodenlehre in Münster). Von 1978 - 1984 arbeitete Herr Hörmann in der Redaktionskommission der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie mit. Er war Herausgeber der "Psychologischen LiteraturUmschau" (1991-1996), Mitherausgeber der Zeitschrift "Musik- Tanz- und Kunsttherapie - Zeitschrift für künstlerische Therapien" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, seit 1994 im Hogrefe-Verlag, Göttingen).

Zudem ist er aktiv im Wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift "PÄD Forum : unterrichten erziehen", wie auch Vorstandsmitglied in der Gesellschaft für Gruppenarbeit in der Erziehung (GGE). Seit 2000 ist Herr Hörmann Mitglied des Kleinkunst-Ensembles "Pfütze".

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Auszug aus dem Interview mit Prof. Dr. Dr. Georg Hörmann:

Wieso hat es sich - so wie Sie eben erzählten - gerade ergeben, in die GVT zu gehen, und warum hat es sich nicht so ergeben, zum Beispiel in den BDP zu gehen?

G. Hörmann: Das war undenkbar.

Ja?

G. Hörmann: Das war also wirklich undenkbar damals ...

Wieso war das denn undenkbar?

G. Hörmann: Ja, das war genau so etwas wie bei der Kritik am Verband der Deutschen Verhaltenstherapeuten.

Was mir sehr gut gefiel, war, dass sie sagten "Psychologie ist eine Gesellschaftswissenschaft", das sei ja auch dem Modell der Verhaltenstherapie angemessen. Stichpunkt "Krankheit als Mythos" zum Beispiel: Das war dieser berühmte Titel des Buches von Szasz auch, ja? Und das war der Versuch, nicht nur zu pathologisieren, nicht nur zu psychopathologisieren, in Störungsformen einzuteilen, sondern dass man weiß: Das sind Verarbeitungsformen gesellschaftlicher Phänomene, die eine Rolle spielen. Für diese Gedanken hat die DGVT natürlich ein hervorragendes Feld geboten.

Ich habe es später nicht mehr verfolgt mit welchen Winkelzügen und Schwierigkeiten sie dann zu tun hatten. Aber man kann fast schon sagen, dass sie das zum Beispiel im Rahmen der Anerkennungsdebatte als Psychotherapeuten aufgegeben haben. Das war ja eine Kapitulation vor den gesellschaftlichen Notwendigkeiten.

Aber ursprünglich war das ganz vehement, dass sie gesagt haben, das medizinische Modell ist im psychischen Bereich nicht haltbar. Und da war dann die Verhaltenstherapie das ideale Modell: Die sagte, also selbst in dem primitiven, naiven Modell dieses Klassischen und Operanten Konditionierens, bestimmte Dinge werden gesellschaftlich auch verursacht und bedingt. Da war die Verhaltenstherapie eine hervorragende Möglichkeit, man konnte das in dem Modell auch erklären.

Dann gab es Leute, wie Keupp und andere, die damals sicherlich sehr einflussreich waren und das propagiert haben. Das war eine Antithese und ein Versuch, die Verquickung von Gesellschaft und sozialen und psychischen Verhaltensweisen nachvollziehbar zu machen. Ja? Das war es wohl.

Und würden Sie sagen, dass die DGVT für die Antithese auch die institutionalisierte Form war?

G. Hörmann: Ja, die etablierteste, das war praktisch die Einzige. Wenn man die Landschaft von damals anschauen würde: Ich hätte nicht gewusst, wo das ähnlich vertreten worden ist. Und sie ist ihrem Anspruch lange treu geblieben, also erst mal Selbsthilfecharakter, nicht nur diese ständische Orientierung, sondern auch diese gesundheitspolitische Orientierung. Und das war schon für mich sehr attraktiv damals ...

Wie kam es dann zu dem Konflikt? Ich glaube, das war doch '84?

G. Hörmann: Ja. Der Punkt war, dass die Verhaltenstherapeuten auch langsam ein Stück vom Kuchen aus dem Gesundheitswesen abbekommen wollten. Es ging ja um diese Anerkennung als Therapeut, dieser Streit um diesen Klinischen Psychologen währte schon seit Jahren.

Wir dachten, in dem System der Krankenkassen vergibt man sich all die Errungenschaften, etwa dadurch, dass man das medizinische Modell übernehmen muss, dass man sich an die Gepflogenheiten anpasst, dass man, wenn es notwendig ist, von Krankheitswert spricht, um von Krankenkassen anerkannt zu werden. Dann muss man sich auch dem Krankheitsmodell unterwerfen, ja? Das war der Punkt, dass wir sagten, die Verhaltenstherapeuten geben solche Errungenschaften, die sie erkämpft haben, auf, damit sie in das System der Krankenversorgung, in die Krankenkassen hineinkommen.

Das war damals der Konflikt, wir sagten "Das ist ein Opportunismus, eine Anpassung, die passen sich an den klinischen Betrieb an und dann verraten sie ihre Identität." Das war der Punkt .

Und diese Entwicklung gab es auch in der DGVT?

G. Hörmann: Natürlich, gab es die, ganz klar und stark auch. Die sagten "Man muss sich jetzt auch aus pragmatischen Gründen ..." Dieses sozialwissenschaftliche Denken ist ja dann langsam abgeebbt. Sie merken, da begann der Rollback schon ein bisschen. Die Studentenunruhen und die gesellschaftliche Aufbruchzeit: Das wurde da dann schon wieder etwas verlacht; die Leute wurden verlacht als die utopischen Phantasten, die Gesellschaftsveränderung betreiben wollen. All so was.

Diese Restauration war da schon deutlich geworden. Und da hat man sich an das Gegebene gehalten: "Etwas machen, was machbar ist, was überhaupt realisierbar ist, und bevor wir ganz rausfallen ..." Diese Strömungen gab es innerhalb der Verhaltenstherapie auch, im Sinne von "Wir müssen uns anpassen und auch zuvorkommen, sonst sind die Psychoanalytiker nachher in diesem Karussell drinnen und wir sind noch ausgeschlossen". Man sagte: "Wir müssen mitmischen und dürfen die Chance nicht verpassen, dass wir nachher dann ausgeschlossen sind." Und das war für uns unannehmbar. Heute würde man sagen: Wir waren die Fundis und das waren die Realos.

Das wird ja auch oft benutzt, dieses Begriffspaar (lachend).

G. Hörmann: Natürlich, das war damals schon so. Es wurde so gesagt: "Und da sind die Unbelehrbaren, die 68er, die also nichts begreifen." So nach dem Motto ...

Also das war auch so ein Streitpunkt gewesen: Wir wollten ein gemeindepsychologisches Versorgungssystem haben ..., und machten keine Zugeständnisse an privatwirtschaftliche Modelle. Das sollte möglichst interdisziplinär sein, also nicht nur Psychologen, sondern zusammen mit anderen Berufsgruppen, zum Beispiel Pädagogen, so dass Teams existieren, die sich auch gegenseitig supervidieren. Es sollte nicht die Einzelniederlassung das Ziel sein, bei der man Gefahr läuft, sich Bedarf zu schaffen und dann die Klientel auch nur selektiv versorgt, weil man manche wegen der Komm-Struktur nicht erreicht. Das Ganze sollte stadtteilorientiert sein, so wie es in der Beratungsszene mit den Erziehungsberatungsstellen der Versuch war. Da hat man das ja teilweise erreicht durch diese dezentralisiert-gemeindenahen Beratungsstellen ...

Wir wollten neue Versorgungsstrukturen haben.