Prof. Dr. Peter Fiedler hat an der Universität in Münster sein Psychologiestudium 1973 abgeschlossen. 1975 hat er promoviert und sich 1978 an der Universität Münster habilitiert. Seit 1980 ist der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität in Heidelberg. Zudem ist er als approbierter Psychologischer Psychotherapeut und Supervisor für Verhaltenstherapie tätig.

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Auszug aus dem Interview mit Prof. Dr. Peter Fiedler:

Wie sind Sie mit der GVT in Kontakt gekommen?

P. Fiedler: Gleich, das war direkt da! Da war man sofort drin als Student [damals in Münster] ... Das war die kritische Seite: Es gab ja damals den Bruch mit dem klassischen Vorstand, ... und das war die Stunde, wo ich dann auch sofort dabei war. Noch als Student bin ich dann, glaube ich, in den Vorstand der GVT gewählt worden, mit Peter Gottwald zusammen. Das war aber schon ein paar Jahre später, glaube ich, zwei Jahre später. 1974, oder so was, ja?

Das war, bevor der GVT und DBV sich wieder vereinigt haben, als Sie dann im Vorstand waren?

P. Fiedler: Ja, das war die Gruppe, mit der ich dann im Vorstand war, die mit dem DBV angefangen hat, Gespräche zu führen und die beiden Gruppen wieder zusammenzuführen. Eigentlich war es nicht so eine richtige Konkurrenz. Dietmar Schulte und Eva Jaeggi gehörte damals auch dazu. Im DBV ging es eigentlich darum so etwas wie eine berufständische Organisation aufzubauen. Während die Gesellschaft für Verhaltenstherapie mehr eine wissenschaftliche Gesellschaft war.

Und in diesen - sagen wir einmal - gesellschaftlichspolitischen Diskussionen damals, war so eine berufsständische Organisation natürlich zunächst einmal ein nicht akzeptierbares Gebilde.

Das ist aber im Laufe der Zeit und der Diskussion so weitergegangen, dass man versucht hat, die zwei unterschiedlichen Vereine wieder aufeinander zu zu bewegen. Und dann gehörte ich eben so lange im Vorstand dazu, solange diese Gesprächsgruppe versucht hat, diese beiden Vereinigungen wieder zusammenzuführen, und bis diese Vereinigung dann vollzogen wurde. Das war, glaube ich, '76? ...

Und gab es Arbeiten, seien es jetzt theoretische oder Forschungsarbeiten, von denen Sie noch erinnern können, dass es besondere Highlights oder etwas Besonderes für Sie waren?

P. Fiedler: Also es war schon so, dass fast alles, was irgendwie lesbar war, rezipiert wurde. Es war wesentlich der lerntheoretische Ansatzpunkt. Ich habe eine Vordiplomsarbeit geschrieben damals, - wir mussten damals keine Diplom-, sondern eine Vordiplomsarbeit schreiben - in der ich mich mit Lernprozessen und mit Kreativität auseinander gesetzt und nach Verstärkungsbedingungen gesucht hatte: wie man Kreativität fördern kann, ob durch Modelle, ob durch Instruktion. Solche Fragen, die mich auch schon aus dem Grundstudium heraus interessiert hatten.

Also Lernprozesse, Modelllernen und ähnliche Dinge, das waren die Kernthemen, aber auch immer schon das Ganze nicht zu experimentell zu betrachten, sondern das ganze Geschehen auch breiter einzubinden in Fragen, die weggehen von dem reinen Konditionierungsparadigma. Faszinierend war ja damals, dass die kognitive Wende in Gang kam und man in Verhaltenstherapie wieder anfangen durfte zu denken (lacht).

Wie wurde die kognitive Wende hier rezipiert? Also hier jetzt bezogen auf die Bundesrepublik.

P. Fiedler: Ja, das war genau die Auseinandersetzung, die man auch in Amerika hatte. Es waren wesentlich eben die Jungen, also wie wir, die den Etablierten ins Gesicht geblasen haben, weil die Etablierten in unserer Sicht zu strikt auf dem Konditionierungsparadigma bestanden. Und diese Diskussion, die war damals in Amerika schon in vollem Gange, die Auseinandersetzung zwischen Wolpe und Eysenck, das sind ja zwei Kontrahenten gewesen, die hat sich hier genauso vollzogen. Das war eben in gewissen Grenzen ... eine streng experimentelle, lerntheoretische Sache gewesen.

Dann kam aber sehr schnell die Wende hin zur kognitiven. Das war insgesamt eigentlich nicht nur eine Bewegung, die die Kognitive Therapie nach vorne gebracht hat, in Deutschland war es eigentlich nicht so sehr durch die GVT angeregt, sondern eine Bewegung die sich stärker auch sozialpsychologischen Aspekten verpflichtet gefühlt hat ... Das können Sie heute noch an der DGVT sehen, die eigentlich seither die psychosoziale Praxis so richtig paradigmatisch nicht aus dem Auge verlieren wollte.

Das war damals eigentlich eine richtige, motorisierte Sache, den Blick auf Bedingungen zu erweitern, die außerhalb der engen Behandlung symptomatischer Störungen lagen: also Lebenslagen mit einzubeziehen, kognitive Therapie auch nicht in dem engen Sinne, sondern sich stärker mit den Lebensentwürfen und Lebensperspektiven der Menschen auseinander zu setzen. Das war schon immer ein faszinierendes Feld und das war dann eben auch eine richtige Wende. Also für mich ist das nicht eine kognitive Wende gewesen, die die Verhaltenstherapie in Deutschland genommen hat, sondern eine sozialpsychologische Wende. Und das ist etwas, was sich bis heute in der DGVT erhalten hat.

Wann würden Sie die sozialkognitive Wende zeitlich verorten?

P. Fiedler: Ab dem Zeitpunkt, ab dem die GVT nicht mehr durch Brengelmann geführt wurde, kam es zu einer Veränderung. Einige andere stehen auch dafür, die haben die Wende auch mitgemacht dann. Am Anfang waren alle noch sehr in dem Konditionierungsparadigma verwurzelt, auch Dietmar Schulte und Jarg Bergold und Tunner wie auch ich, wir waren ja die ersten, die da so in München und Münster dann losgelegt haben.

Aber dann gab's tatsächlich den Schwenk, der war wirklich auch relativ radikal ... Das hing auch mit der Antipsychiatriebewegung zusammen, die so von den 68ern losgetreten wurde. Es gab dann auch sehr enge Verbindungen zur Deutschen Gesellschaft für Sozialpsychiatrie, das waren auch fast personenidentische Gruppierungen, die in beiden Vereinen waren, und viele hatten eine gewerkschaftliche Orientierung auf ihre Fahnen geschrieben. Und das hei�?t eben, die Psychologen zu motivieren, sich gesellschaftlich zu engagieren, und über berufspolitische Fragen hinaus, sich für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung einzusetzen, also eher auch politische Zielstellungen zu verfolgen.

Ist das, was Sie da beschreiben, eher ein Spezifikum für die Bundesrepublik?

P. Fiedler: Nein, das war in Amerika auch so, obwohl es unter dem Label Kognitive Therapie stärker eine Veränderung gegeben hat, die sich auch in Zeitschriften niedergeschlagen hat. Seither gibt es die Personen, die Eysenck näher waren und diejenigen, die dann versucht haben, stärker in den kognitiven Bereich hineinzugehen. Die Zeitschrift "Behavior Therapy" ist eine Gegenzeitschrift zur Eysenck-Zeitschrift "Journal of Experimental Psychiatry and Behavior Therapy". Das können Sie übrigens sehr guten nachlesen bei der Frau Schorr, die die Geschichte der Verhaltenstherapie geschrieben hat [Schorr, 1984]. Diese Entwicklungen in Amerika finden Sie da sehr gut wiedergeben.

Ich denke mal, dass hier eben durch die DGVT tatsächlich mehr als in Amerika so etwas wie eine gesellschaftlich, politisch orientierte Verhaltenstherapie, Psychotherapie in Gang gesetzt worden ist, die auch stark verbunden war mit gleichartigen Bewegungen in der Psychiatrie.