Prof. Dr. Jarg Bergold studierte Psychologie in Freiburg. Nach dem Abschluss seines Studiums ging er auf Anregung von Albert Görres als guest researcher nach London, wo er am Maudsley Hospital (Institute for Psychiatry) bei H. J. Eysenck, bei Monty Shapiro und am Middlesex Hospital bei Vic Meyer, die dortigen Anfänge mit der Verhaltenstherapie miterlebte und diese dann mit nach Deutschland brachte. Anschließend arbeitete er an einem der ersten klinisch-psychologischen Lehrstühle in München, den Albert Görres innehatte. Danach war er in Bern bei Spoerri tätig und erhielt 1974 einen Ruf an das Psychologische Institut an der FU Berlin.

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Auszug aus dem Interview mit Prof. Dr. Jarg Bergold:

J. Bergold: Prof. Albert Görres, der in Frankfurt lehrte, bekam einen Ruf auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Klinische Psychologie an der Maximiliansuniversität München. Er war Arzt und Psychoanalytiker und hatte im Auftrag der DFG eine Denkschrift zur Lage der Psychotherapie in Deutschland geschrieben. Das muss in den 60ern gewesen sein. Ich denke, das war 1964. Er war Psychoanalytiker und hatte aber die ungeheuer fortschrittliche Idee, an dem neuen Institut Psychoanalyse und Verhaltenstherapie einzuführen. Aber: da gab es keine Verhaltenstherapeuten.

Görres fragte auf einem Kongress den Michel [Prof. Lothar Michel]: "Wissen Sie mir nicht einen, der sich zumindest interessiert für Verhaltenstherapie und der nach München kommen würde?" Und der kannte mich von der Prüfung und aus der Bibliothek, wo ich gearbeitet habe. Und er wusste, dass ich nach München wollte, weil dort meine Freundin lebte und wir heiraten wollten.

Michel sagte, "Ja, da kenne ich einen, und ich frag' den einmal". Dann kam er zurück nach Freiburg und sagte zu mir, melden sie sich doch mal bei Görres in Frankfurt, der sucht jemanden, der sich für Verhaltenstherapie interessiert.

Görres war mir völlig unbekannt. Ich bin in die Bibliothek marschiert und habe dann also erst mal herausgesucht, was der gemacht hatte. Durch die Ausbildung bei Heiss, kannte mich relativ gut aus mit der Psychoanalyse. Ich war sehr an Psychotherapie und klinischer Psychologie interessiert, hatte mich aber eher für die anglo-amerikanische Literatur interessiert.

Ich habe dann Görres in Frankfurt angerufen, und er hat mir ein Treffen in München vorgeschlagen. Dort haben wir uns da am Café im Englischen Garten getroffen. Wir hatten ein nettes und interessantes Gespräch - auch über mein Interesse an der Verhaltenstherapie und irgendwann hat er dann gefragt "Sagen Sie, würde es Sie interessieren, nach London zu gehen und sich das anzusehen?" Und ich habe mir gedacht: "Na, gut, fahr ich halt nach London, ist mir doch wurscht, was dabei rauskommt, das finde ich auf alle Fälle spannend" ...

Warst du da eigentlich bei Eysenck?

J. Bergold: Ja, ich in dann zu Eysenck in das "Institute of Psychiatry" gegangen. Dort wurde ich als Gast aufgenommen. Ich wurde allen damaligen Größen vorgestellt, also Jack Rachman, Monti Shapiro, Isaac Marks usw. die im Institute oder im Maudsley Hospital arbeiteten. Ich bekam auch einen Arbeitsplatz.

Das ist nur so ein Zimmerchen gewesen, nicht so diese Wissenschaftlervorstellung, nur ein kleines Zimmerchen. Da war man froh, wenn man irgendetwas gehabt hat, aber es war unheimlich lebendig. Wir haben Tag und Nacht eigentlich diskutiert. Und zwar haben wir nicht nur über VT diskutiert, sondern auch über die politischen Verhältnisse in Südafrika. Es war nämlich auch ein Südafrikaner dabei, nee, zwei Südafrikaner und ein Kanadier. Der eine war englischer Südafrikaner und der andere war burischer Herkunft ... Und der Kanadier hat dadurch provoziert, dass er sagte: "There will be a blood bath in South Africa soon". Es gab also unendlich viele Diskussionen, es war unheimlich lebendig.

Das Institute of Psychiatry war damals ein sehr zentraler und lebendiger Ort, an dem man viel über die Entwicklung der Psychologie überhaupt und der Verhaltenstherapie und der Verhaltensmodifikation mitbekam. Ununterbrochen kamen Gäste aus USA vorbei, so dass man die Chance hatte, die meisten Kollegen kennen zu lernen, die damals die Forschung vorantrieben.

Da war ich dann ungefähr ein halbes Jahr, bis mir klar geworden ist, dass es ganz unterschiedliche Quellen der lerntheoretisch fundierten Therapie gibt. Ich habe mich mit Jack (Stanley) Rachman angefreundet und von ihm erfahren, dass er auch aus Südafrika kam.

War der damals auch Gast-Researcher?

J. Bergold: Nee, nee, der war schon Lecturer, Rachman war schon längst Lecturer. Er war ähnlich wie Wolpe aus politischen Gründen aus Südafrika weggegangen und Eysenck hatte ihn nach London geholt. Mir wurde in den Gesprächen klar, dass Südafrika, bzw. die Universität von Witwatersrand in Johannesburg ein wichtiger Ort für die Entstehung eines Teils der Verhaltenstherapie gewesen war.

Das ist eine Quelle der Verhaltenstherapie: also die University of Witwatersrand ist eine der zentralen Quellen. Dort saß eine Frau als Professorin, deren Namen mir jetzt nicht mehr einfällt. Die war Lerntheoretikerin und muss sehr eindrucksvoll gewesen sein. Und die hat Wolpe, Jack Rachman und und und beeinflusst. Sie hat ihnen beigebracht, lerntheoretisch zu denken und hat sie dabei unterstützt, diese Art des Denkens auf den Bereich von psychischen Störungen anzuwenden.

Ach so, das wusste ich gar nicht, von dieser Frau habe ich noch gar nichts gehört.

J. Bergold: Ja, aus meiner Erfahrung heraus gibt es für mich drei Quellen der Verhaltenstherapie. Eine ist ganz klar da in South Africa - jetzt fange ich an englisch zu reden, merkst du (beide lachen) - Südafrika. Das zweite war natürlich diese ganze Operant-Conditioning-Clique in USA. Im Endeffekt ging es damit erst richtig los. Das mit Watson und dem Little Albert und so weiter, das hatte nicht solche Auswirkungen wie dann die Skinner-Gruppe. Und die dritte Quelle war in London. Und zwar war das in London weniger Eysenck. Eysenck hat selber nie einen Patienten behandelt, der war sozusagen Theoretiker, hat das aufgenommen und die Leute herangezogen. Der Leiter der klinischen Abteilung in London war aber Monty Shapiro. Und Monty Shapiro hat die ganzen Leute in London beeinflusst, nämlich mit der Idee, Therapie ist ein Einzelfallexperiment.